Menü

Ausstellung

Das Lesen in der Kunst
Das Lesen in der Kunst
Armand Guillaumin
Lesende, o. J.
Pastell auf Papier
Privatbesitz
28. September 2019 - 15. Dezember 2019

Das Lesen in der Kunst

Lektürebilder - Bildlektüre

Schon in den 1920er Jahren formulierte Walter Benjamin die auch heute oft ausgesprochene Befürchtung, das Buch sei tot und damit gehe eine Kulturepoche zu Ende, der die Gegenwart nur Zerstreuung und Oberflächlichkeit entgegensetzen könne. Tatsächlich scheinen die Konzentration und Sammlung, die das Lesen erfordert, in der digitalen Ära kaum noch möglich, und das Buch wird durch neue Medien ersetzt.

Die von Cathrin Klingsöhr-Leroy kuratierte Ausstellung „Das Lesen in der Kunst. Lektürebilder - Bildlektüre“ wirft einen Blick zurück in die goldene Epoche des Lesens, in der das Buch noch ständiger Begleiter und in jeder Situation parat war. Sie versucht darzustellen, was Lesen bedeutet und was die Maler an dem Motiv lesender Frauen und Männer fasziniert hat. Dazu geht sie nicht nur von Bildern, sondern auch von literarischen Texten aus, die das Phänomen „Lesen“ analysieren. Schriftsteller und Philosophen beschreiben die Lektüre als einen kreativen Akt, der die im Text entworfene Welt jeweils individuell nachschafft und Gestalt annehmen lässt. In diesem Sinne sind die Darstellungen der Leserinnen und Leser bestimmt von deren Versunkenheit in den Text, von einer Faszination durch das Buch, die der Fixierung des Malers auf sein Motiv entspricht. 

Adolph Menzel, Max Liebermann, Auguste Renoir, Lovis Corinth, Pablo Picasso, Erich Heckel, August Macke, Max Beckmann, Albert Marquet und viele andere haben Lesende gemalt. Ihre Bilder üben eine besondere Anziehungskraft auf den Betrachter aus. Denn die Maler erfassen den Zustand der „kontrollierten Entrücktheit“ der Lesenden mit immer neuen bildnerischen Mitteln und zeigen einerseits das Individuum seit der Epoche der Aufklärung in zunehmender geistiger Unabhängigkeit, andererseits die Intimität und Privatheit, die sich im Akt des Lesens konstituieren, als einen privilegierten, geschützten Raum. 

In der Ausstellung geht es jedoch nicht nur um Bilder vom Lesen, sondern es geht auch um das Lesen von Bildern, die Buchstaben als Formelemente abstrakter oder auch gegenständlicher Darstellungen nutzen oder die die Geste des Schreibens mit der des Zeichnens, Malens oder Kritzelns in eins fallen lassen. Mit Werken von Alberto Giacometti, Paul Klee, Jacques Villeglé, Grisha Bruskin, Ivan Chuikov, Svetlana Kopystiansky, Beate Passow oder William Kentridge wird der Frage nachgegangen, wie das Lesen funktioniert: Wie verbinden sich Wort und Bedeutung, Zeichen und Bezeichnetes zu der die Leserinnen und Leser in ihren Bann ziehenden Vision? Bei der Betrachtung dieser Werke verdichtet sich die Gewissheit, dass das Entziffern der Buchstaben und das Verstehen der Wörter nicht reichen und dass das Wesentliche zwischen den Zeilen steht.


Begleitend zu der Ausstellung finden zwei Abendveranstaltungen statt (Anmeldung erforderlich):

Am 15. November spricht Joachim Sartorius, Diplomat, Lyriker und Herausgeber von viel beachteten internationalen Anthologien, wie „Atlas der neuen Poesie“, über das Lesen. Sein erstes Schulheft, das er mit Schriftzeichen gefüllt hat, gehört zu den Exponaten der Ausstellung. 

Am 6. Dezember findet eine Lesung mit ergänzendem Musikprogramm statt. Der Schauspieler Raphael Dwinger liest Texte von Kurt Tucholsky, Marcel Proust, Vladimir Nabokov, Ingeborg Bachmann und anderen. Die Hannoveraner Geigerin und Bratschistin Elisabeth Kufferath spielt Musikstücke des 20. Jahrhunderts.

Nach oben scrollen