Rotraut Klein-Moquay
Bilder und Skulpturen
Die Wahl des Vornamens als Künstlername könnte bedeutsamer nicht sein. Für Rotraut ist diese Wahl ein Befreiungsschlag. Sie lenkt damit die Aufmerksamkeit gezielt auf ihre Person und koppelt sich als Künstlerin von ihrer Familienzugehörigkeit ab, die sie als Mensch uneingeschränkt betont. Auf keinen Fall möchte sie das Interesse an ihrer Kunst der Gunst des Familiennamens verdanken. Rotraut ist als geborene Uecker die Schwester des Düsseldorfer Künstlers, den man als virtuosen Schöpfer von Nagelobjekten kennt. Und in erster Ehe war sie eine verheiratete Madame Klein, Ehefrau jenes französischen Künstlers, der als junger Mann den Himmel signiert, eine Farbe mit seinem Namen belegt und mit seinen blauen monochromen Bildern weltberühmt wird.
Als Rotraut im Alter von neunzehn Jahren 1957 Yves Klein trifft, lebt sie bereits in einem eigenen künstlerischen Kosmos, der vornehmlich durch persönliche Erfahrungen und Erlebnisse geprägt ist. Die Kindheit auf dem Lande in Mecklenburg spielt eine wichtige Rolle. Die Eindrücke einer sich immer aufs Neue verändernden Natur, der bäuerlichen Rituale der Feldbestellung durch den Vater, aber auch des gemeinsamen Zeichnens und Malens mit ihrem älteren Bruder Günther setzen sich in ihr fest. Als dieser zum Studium nach Düsseldorf geht, folgt sie ihm und bildet sich dort autodidaktisch zur Künstlerin aus. Yves Kleins Werke sieht Rotraut zum ersten Mal in der Galerie Schmela. Sie ist stark von ihnen beeindruckt. Den Künstler lernt sie wenig später kennen, als sie in Nizza bei Arman, einem engen Freund Kleins, als Au-pair-Mädchen arbeitet.
Damals fertigt Rotraut bereits ihre "Galaxien". Es sind Bilder zwischen Malerei und Plastik. Die Künstlerin tropft eine Mischung aus Mehl, Wasser und Leim (später benutzt sie den beständigeren Gips) auf einen mit Leinwand bespannten Sperrholzträger. Sobald das reliefartige Bild trocken ist, übermalt sie die Topografie aus Hügeln und Tälern mit schwarzer Farbe. Nach erneuter Trocknung schleift sie die Spitzen der Erhebungen leicht an, so dass sich vor den Augen des Betrachters das faszinierende Bild eines nächtlichen Sternenhimmels ausbreitet. In den Werken Rotrauts trifft sich die Lust am Experiment mit der Lust an der Geste, wie sie für die Kunst der fünfziger Jahre charakteristisch ist. Die Künstlerin schafft Bilder, die in ihren informellen Strukturen abstrakt und in ihren präzisen Evokationen gegenständlich sind.
Die Ausstellung in der Stiftung Ahlers Pro Arte / Kestner Pro Arte konzentriert sich auf die frühen Werke Rotrauts aus den fünfziger und sechziger Jahren und präsentiert sie zusammen mit großen, eindrucksvollen Plastiken der Künstlerin aus ihrer späteren Zeit. Das macht umso mehr Sinn, als sich die Module der Plastiken einem ähnlichen Gestaltungsprozess verdanken wie die frühen "Galaxien". Auch bei ihrer Entstehung steht am Anfang die informelle Geste. Danach entscheidet die Computersimulation darüber, ob sich die gefundene Form einer Verschiebung in ein größeres Format 'ge-wachsen' zeigt. Und wie die "Galaxien" sind auch die Plastiken einmal mehr brillante Hybride, die hin und her wandern zwischen den Polen der Abstraktion und der Figuration.
So unterschiedlich die Materialien von Rotrauts Plastiken sind – Marmor und Eisen, Aluminium und Bronze, Holz und Kunststoff –, so einheitlich ist ihre Phänomenologie. In ihrem figurenbetonten Umriss und ihrem strahlenden Kolorit verbinden sich auf glückliche Weise Linie und Farbe. Der vertikale Gestus erinnert bei aller Abstraktheit an eine Versammlung seltsamer Fabelwesen - eine Population, in deren Schwung und Dynamik sich zugleich die Lebenskraft und Lebenszuversicht einer Künstlerin mitteilen, für die Kunst und Leben bis heute stets zusammengehören, und für die jedes Kunstwerk immer auch eine Art Liebeserklärung an das Leben und an seine schöpferischen und positiven Kräfte ist.