China in transition

Zhang Xiaogang, Yue Minjin, Zeng Fanzhi, Fang Lijun …

China ist ein Land im Aufbruch. Ein gewaltiger Staat, der viertgrößte der Erde, mit einer Bevölkerung von 1,3 Milliarden Menschen, der im schwierigen Spagat zwischen Kommunismus, Konfuzianismus und Kapitalismus, zwischen Tradition und Moderne, seinen Weg in der Gegenwart sucht. Die Olympischen Spiele haben im letzten Jahr die ganze Welt auf China blicken lassen. Auf die chinesischen Künstler schauen die Kunstinteressierten indes schon etwas länger, spätestens seit Harald Szeemann 1999 ihre Werke auf der 48ten Biennale von Venedig vorgestellt hat. Noch länger sind sie allerdings im Visier der Sammler. Unter den Künstlern, deren Werke in der Stiftung Ahlers Pro Arte / Kestner Pro Arte vorgestellt werden, sind prominente Namen wie Fang Lijun, Zhang Xiaogang, Feng Zhengjie, Wang Guangyi und Yue Minjun.

China befindet sich heute in einer schwierigen Phase des Aufbruchs und des Übergangs. Die neue Aufspaltung der Gesellschaft in wirtschaftliche Klassen, der Einfluss von Konsum und Kapital auf die Menschen, freiere Umgangsformen und ein neuer Hedonismus, die Sexualisierung der Gesellschaft und die Rolle der befreiten Frau, die rücksichtslose Ausbeutung von Ressourcen und die damit einher gehende Verschmutzung der Umwelt, all das treibt die Chinesen um, und all das wird nun auch zum Thema der Kunst und der Künstler.

Der fokussierende Blick der Maler wird zum Spiegel, in dem sich die Brüche und Verwerfungen der chinesischen Gesellschaft abbilden. Bedeutender Protagonist dieser Kunst ist Yue Minjun mit seinem lachenden Mann, der als Klon seiner selbst immer wieder in seinen Bildern auftaucht. Er parodiert als Einmannunternehmen die Uniformierung der kollektiven Gesellschaft ebenso wie den ihr von ihren autokratischen Machthabern verordneten Optimismus. Subversiver Witz bestimmt auch die ambivalenten Untergangsszenarien von Fang Lijun oder die ironische Heldengalerie von Guo Jin. Nicht minder bestechend ist die Vermischung aller Werte in der Malerei von Wang Guangyi, in der die chinesische Arbeiterklasse vor den Nobelmarken des westlichen Konsumismus paradiert.

Solche Synthetisierungen begegnen uns auch in den Bildern von Feng Zhengjie, aus denen uns Mao Zedong als westliche Modeikone entgegen lächelt. Die Melancholie, die notwendiger Teil einer Welt im Umbruch ist, wird besonders stark spürbar in den Familienporträts von Zhang Xiaogang (geb. 1958), dem wohl bekanntesten chinesischen Maler seiner Generation. Die ernsten Gesichter, die uns frontal anblicken, sind oft im Schwarzweiß der Fotografie gemalt. Nur gelegentlich werden sie durch einzelne Farbflecken aufgehellt oder durch rote, die Familienzugehörigkeit symbolisierende bloodlines. Die handwerkliche Kompetenz des Künstlers wird in jedem Bild sichtbar. Aber sie huldigt nie einem platten Abbildrealismus, sondern verbindet surreale und veristische Elemente. Sie stellen sich in den Dienst einer Erzählung, die das Lokale in den Rang eines Universalen stellt, und uns daher nicht minder angeht als den chinesischen Betrachter.

Liu Bolins „Rote Hand (Reflektion)“ von 2007 ist eine zehnteilige Skulpturengruppe. Die Population der Plastiken aus glänzendem Kunstharz zeigt immer wieder dieselbe Figur, eine Art kindlichen Mann mit großem Kopf und dünnem Körper, der in allen möglichen Posen und Situationen dargestellt ist. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Gegensatz der Farben Weiß und Rot. Mal besetzen sie in symbiotischer Weise ein und dieselbe Figur, so wenn sich der weiße Kopf der Plastik in eine rote Hand schmiegt. Oder eine rote Hand reckt sich in die Höhe und zerquetscht zwischen ihren Fingern eine kleine weiße Figur. Dann herrscht Krieg - wie zwischen den „Weißen“ und „Roten“ in der Anfangszeit des Kommunismus. Daneben gibt es noch die monochrome rote Plastik, deren Schädel in ebenso surrealer wie anspielungsreicher Weise von einem Flugzeug gerammt wird.

  • Ausstellung ergänzt um Fotoarbeiten von Georges Legrady

Qiu Zhijie

Tattoo No. 3, 2001
Farbphotographie
ahlers collection
© Qui Zhijie

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